Differenzdruckverfahren verbessert die Formfüllung bei hochviskosen Materialien
Fortschritte bei der Herstellung von Elastomer-Prototypen
Beim Vakuumgießen in Silikonformen gab es bisher Schwierigkeiten mit der Formfüllung, wenn dünnwandige, großflächige Teile aus höherviskosen Werkstoffen gegossen werden mussten. Deutlich bessere Ergebnisse sind möglich, wenn während der Gießphase ein genau definierter Überdruck auf den Gießtrichter wirkt.
"Bei Waschautomaten konnten unsere Ingenieure in den letzten 20 Jahren sowohl den Energie- als auch den Wasserverbrauch um rund 70 % senken", erläutert Manfred Brinktrine, Meister im Bereich Musterbau der Fa. Miele in Gütersloh. Auch bei anderen Haushaltsgeräten wie Geschirrspülern und Elektroherden konnten beachtliche Verbrauchsminderungen erzielt werden. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele solcher Geräte im Einsatz sind und wie hoch ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch eines Haushalts ist, so wird schnell klar, dass es hier um nicht unerhebliche Beiträge zur Schonung von Umwelt und Ressourcen geht.
Um solche Ergebnisse zu erzielen, mussten hochqualifizierte Teams von Forschern und Ingenieuren in geduldiger Kleinarbeit das gesamte Innenleben der Geräte umkrempeln. Jedes ihrer Details und jeder Aspekt der darin ablaufenden Prozesse musste intensiv studiert und immer wieder verbessert werden. Diese Herausforderung geht auch heute unvermindert weiter: Zwar dürften bezüglich Energie- und Wassereinsatz die Grenzen des Möglichen nicht mehr so fern liegen, doch zeichnen sich dafür wieder neue Aufgaben z.B. bezüglich der Recycelbarkeit ausgedienter Geräte ab.
Prototypen für Praxistests
"Unsere KEW - so bezeichnen wir die Abteilung Konstruktion und Entwicklung - braucht für ihre Arbeit jede Menge Prototypen", setzt M. Brinktrine hinzu. Bei Miele lege man äußersten Wert auf Qualität. Deshalb gehe man nur mit solchen Verbesserungen in Produktion, deren Praxistauglichkeit zuvor durch intensive Versuche erwiesen wurde. Dabei werden die neuen Geräte ausgeklügelten Härtetests und Dauerversuchen unterzogen. Für jede Neuerung werden daher zahlreiche Prototypen - vom Anschauungsmodell bis zum komplett funktionstauglichen Gerät für Testzwecke - benötigt.
Zum Musterbau in Gütersloh gehören daher knapp 60 Mitarbeiter. Er versorgt nicht nur die KEW in Gütersloh, sondern bietet seine Dienste auch den entsprechenden Abteilungen anderer Miele-Werke an. Dabei muss man sich dem offenen Wettbewerb mit externen Zulieferern und Dienstleistern stellen. Abgedeckt wird die gesamte Bandbreite an Verfahren und Materialien vom Kunststoff über Metalle bis Elektrik. Wo es sich nicht lohnt, bestimmte Technologien selbst vorzuhalten, kauft man andererseits entsprechende Leistungen auch extern ein. Dies gilt z.B. für manche Rapid-Prototyping-Technologien. Wichtiger Bestandteil der Tätigkeit ist die Beratung der Auftraggeber: Bei Anfragen setzt man sich zunächst mit dem Konstrukteur zusammen, um optimale Lösungen bezüglich Festlegung von Werkstoff und Verfahren zu erzielen. Weitere Aufgabe der Abteilung ist außerdem die Konstruktion von Musterwerkzeugen für das Spritzgießen.
Das mangelnde Formfüllvermögen höherviskoser Gießwerkstoffe...
"Leider klaffte in unserem Leistungsangebot bis vor kurzem eine recht schmerzliche Lücke, und zwar bei Prototypen aus höher temperaturbeständigen Elastomeren", verrät Dieter Funke, Mitarbeiter im Bereich Kunststoff-Musterteile. Insbesondere Waschmaschinen und Trockner enthalten eine große Zahl unterschiedlichster Dichtungen, Schläuche und Schwingungsdämpfer aus gummielastischen Materialien. Prototypen für solche Bauteile fertigte man zwar bereits seit 1987 mit Hilfe des Vakuumgießens in Silikonformen, doch konnte man hierfür nur Gießwerkstoffe einsetzen, die im Dauertest maximal 70-90 °C aushielten. Für die hohen Temperaturen von bis zu 160 °C, wie sie z.B. im Dichtungsbereich von Waschtrockern auftreten, ist das bei weitem zu wenig.
Zwar gibt es durchaus Elastomer-Gießwerkstoffe wie das Essil 255 von Axson, die noch deutlich höhere Temperaturen vertragen, doch sind diese Gießharze leider hochviskos und haben ein entsprechend schlechtes Formfüllvermögen. Bei den zumeist sehr dünnwandigen und zugleich großflächigen Komponenten war deshalb eine Formfüllung allein durch Schwerkraft nicht mehr zu gewährleisten. In solchen Fällen musste bereits in der Prototypphase eine metallische Vulkanisierform hergestellt werden. Statt der sonst üblichen 5-7 Arbeitstage dauerte dies dann rund 3 Wochen, und die Kosten lagen ganz erheblich höher.
...ist durch Differenzdruck überwindbar
"Diese Probleme gehören inzwischen der Vergangenheit an", freut sich D. Funke. Im Januar 2002 erhielt seine Abteilung eine neue Vakuumgießanlage von MK Technology, die als zusätzliche Option das sogenannte Differenzdruck-Gießen ermöglicht.
Hierbei werden Mischkammer und Gießkammer durch ein druckdichtes Schott getrennt. Nach Beginn des Gießvorgangs wird die Mischkammer mit einem vorher einstellbaren Differenzdruck beaufschlagt, der auf die Flüssigkeit im Gießtrichter wirkt und diese zusätzlich in die Form drückt.
Dadurch können auch die bisher nicht verwendbaren höher viskosen Gießwerkstoffe verarbeitet werden. "Ganz ohne Probleme geht es auch dann nicht immer" schmunzelt D. Funke, und bei solchen Gießvorgängen müsse er öfter manuell eingreifen.
Inzwischen habe er jedoch gewisse Tricks und Spielräume zur Verfügung; selbst Silikonmaterial - das hält Temperaturen bis 220 °C aus - habe er inzwischen mit dieser Anlage erfolgreich vergossen. Bei allen anderen Teilen wird die Anlage wie ein ganz normales Vakuumgießsystem eingesetzt. Nach bisheriger Erfahrung funktioniert sie einwandfrei, wird vom Aufbau her sogar noch als etwas robuster eingestuft als die beiden bisher bereits eingesetzten Systeme anderer Hersteller.